Mit einem Lächeln im Gesicht serviert mir der Barkeeper mein zweites „Chang“ am Flughafen von Bangkok. Das Bier mit den zwei Elefanten am Etikett hat meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Zehn Stunden Flug von Wien ausgehend, kombiniert mit 20 Minuten Schlaf, weckten meine Hoffnung, auf meinem Gabelflug nach Krabi wenigstens ein bisschen Übernachtigkeit gutzumachen. Wie sich etwas später herausstellen soll, hat die Müdigkeit gegen Vorfreude und Erwartung jedoch keinen nennenswerten Trumpf in der Hand.

In Krabi angekommen gönne ich mir eine Coke, die gefühlt mit der achtfachen Menge Zucker der europäischen Variante aufwartet. Während massenweise Touristen an mir vorbeiströmen, bin ich auf der Suche nach einem Transfer zum ca. 30km entfernten Ort „Ao Nang“. Taxi wäre natürlich eine Option, aber so bekäme ich sicher mehr von Land und Kultur zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich aber auch noch nicht, dass mir eine knappe Stunde in einem völlig überfüllten Shuttlebus bevorstand, umgeben von einer Wolke aus Schweiß, Deo und Sonnenöl. In Ao Nang angekommen heißt es, weitere 20 Minuten zu warten, bis sich genug Passagiere bei den „Boatmen“ versammelt haben, um ein Boot vollzubekommen. Vorher wird nämlich nicht gefahren. Außer man macht das nötige Kleingeld locker…

Thailand Tonsai

Tonsai, Thailand

Mein Ziel ist Tonsai Beach, genauer gesagt das Dream Valley Resort. Tonsai steht bei Kletterern hoch im Kurs, wer es mit dem Klettern nicht so hat, ist in der 600m entfernten Nachbarsbucht „Railay“ besser aufgehoben. Wer auf maps versucht, zu Fuß von Tonsai nach Railay zu gelangen, wird nicht belohnt, möglich ist es trotzdem – vorausgesetzt, ein Marsch durch den Wald wirkt nicht abschreckend. Gute 70 Meter vor dem Strand hält unser Boatman an und deutet uns mit einer gleichgültig anmutenden Handbewegung, den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen zu müssen. Die Ebbe hat längst eingesetzt und wegen des felsigen Untergrundes würde sein Boot sonst kaputtgehen. Also raus aus dem Boot und rein ins knietiefe Wasser.

Tipp 1: Gleich geschlossene Sandalen oder Wasserschuhe anziehen oder zumindest nicht ganz unten im Gepäck verstauen. Solange keine Immunität gegen Steinfischgift besteht, ist barfuß keine wirkliche Alternative.

Tipp 2: Rucksäcke bieten sich hier besser an, vor allem wenn zwei Gepäckstücke zu transportieren sind. So bleibt eine Hand frei und man kann im Wasser leichter balancieren. Die Frau mit den stylischen Flip Flops und den zwei großen Koffern tat mir leid.

Tipp 3: Für Erkunder, Kletterer die bestimmte Zustiege auf ihrem Plan haben und Fotografen Pflicht: Ein Gezeitenkalender. Binnen drei Stunden stieg der Meeresspiegel in einer Minibucht um knappe zwei Meter an. Die zwanzig Meter außen herum zu schwimmen, wäre nicht die große Herausforderung, wenn’s denn drauf ankommt. Die Ausrüstung trocken zu halten hingegen schon.

Strand, Tonsai, Thailand

Sonnenuntergang in Tonsai

Boot Thailand Tonsai

Nach einigen Minuten durch das Wasser waten erreiche ich das Festland von Tonsai. Die langsam untergehende Sonne taucht die Bucht in ein malerisches Orange, an den direkt am Strand gelegenen Felsen erproben sich Kletterer an verschiedenen Routen und rufen ihren Kletterbuddies von unten Tipps zu, wie der Überhang zu meistern wäre. Andere relaxen einfach am Strand oder sitzen in einer der zahlreichen Beachbars und saugen an ihrem Strohhalm, welcher natürlich in einer Kokosnuss steckt. All das zieht momentan aber an mir vorüber, mein einziges Interesse gilt einem Bett und so folge ich der Beschilderung zu meiner Unterkunft, vorbei an Bars, Lokalen, einem Internet-Café und einer Wäscherei.

Thailand Tonsai Klettern

Klettern in Tonsai

An der Rezeption angekommen, aufgrund meiner Müdigkeit bin ich wenig kommunikativ, klären wir rasch die Formalitäten, man reicht mir zwei Handtücher und ich übernehme die Schlüssel für meinen Bungalow. Dieser ist wie alle anderen übrigens umgeben von zehn bis zwanzig Meter hohen Palmen und Bäumen und dichtem Buschwerk. Dschungelfeeling pur! Nach 30 Stunden ohne Schlaf kann ich es mir endlich gemütlich machen und vergesse natürlich, meine Rauchspirale anzuzünden…

Tipp 4: Rauchspiralen kaufen UND anzünden!

Wen es interessiert: Die modisch bewusste Frau aus dem Boot schaffte es ebenfalls trocken an Land. Ob ich ihr beim Tragen behilflich war, bleibt allerdings mein kleines Geheimnis…

Ebbe in Thailand, Tonsai

Ebbe in Thailand, Tonsai

5.15 Uhr am nächsten Morgen, doch es ist nicht wie gewohnt der Wecker meines Handys, der mich aus dem Schlaf reißt. Es ist auch nicht die fünfte oder sechste Mücke, die mich sticht. Die ersten Sonnenstrahlen des Tages dringen schüchtern und zurückhaltend durch die Fensterläden in das Halbdunkel meines Bungalows. Schlaftrunken genehmige ich mir einen Schluck aus der Wasserflasche, die ich abends neben meinem Bett platzierte. „Tock, tock“, da ist es wieder, ich spähe durch das Fenster auf die Veranda, aber kann nichts ausmachen. Wieder: „Tock, tock tock!“. Mir wird klar, dass ich von drinnen nichts erkennen würde, also gehe ich nach draußen und warte. Da bewegt sich plötzlich etwas ganz oben in den Palmwipfeln, bis wieder etwas am Blechdach meines Bungalows abprallt und neben mir zu Boden geht. Nach erfolgter Untersuchung identifiziere ich das Objekt als Fruchtkern. Da wurde mir klar: Makaken nehmen ihre Nahrung oben in den Baumkronen zu sich und spucken die Kerne aus, nur um die Menschen ihres Schlafes zu berauben.

Es ist Januar und an die Tatsache, mich beim Aufstehen nicht in meine dicke Daunendecke hüllen zu müssen, habe ich mich noch nicht gewöhnt. Rund 45 Grad Temperaturunterschied haben’s schon in sich. Als ich mich unter die Dusche stelle, erinnere ich mich plötzlich an die Worte des Resort-Angestellten mit seinen übergroßen Sandalen und seinem Schnurrbart, vor Benutzen des Bades als erstes Wände, Decke und Boden nach Spinnen, Schlangen und dergleichen abzusuchen. Nachdem die erste Schrecksekunde vergangen war, wusste ich, dass ich seinen Rat kein zweites Mal vergessen würde.

Ich beschloss, den Tag ruhig anzugehen und ein wenig die Gegend zu erkunden, wobei ich rückwirkend eingestehen muss, dass das sehr schnell geht. Um Tonsai zu verlassen ist ein Boot notwendig, durch den Wald wollte ich nicht wandern. Also setze ich mich ins Ting Tong Café und genehmige mir einen Moccacino oder so und plane die nächsten Tage. Später am Nachmittag würde ich hier sowieso Bekannte treffen, um in den nächsten Tagen ein wenig gemeinsam zu klettern und dementsprechend zu planen.

Railay, Tonsai, Thailand

Zwischen Tonsai und Railay

Tipp 5: Die erfahrenen Kletterer können diesen Tipp gerne überspringen, wer es aber zum ersten Mal versucht: Direkt vor dem Klettern empfiehlt es sich nicht, zu trinken, weil das tropische Klima und die Bewegung sofort zu massivem Schwitzen führen. Mein Shirt war nach nur drei Minuten klettern durchnässt und dann ist es schwer, am Felsen Halt zu finden. Ebenso schwitzten meine Hände derart, dass ich noch einen zweiten Kreideköcher gebraucht hätte.

Wieder früh raus aus den Federn heißt es auch am dritten Tag, um die Mittagshitze zu meiden (die schon ab 10:00 beginnt), sind bereits um 6.00 mit „Nawin“ bei den Booten verabredet, er ist als erster Boatman munter und wird uns die kurze Strecke nach Railay bringen, wo wir nahe der „Phranang“ klettern werden. Die Phranang (Princess Cave) ist eine Höhle voll mit Phalli. Alle Größen, alle Formen, jede Farbe, beliebige Muster. Eben für jeden Geschmack etwas. Der Hintergrund: Die Dorfbewohner glaubten, dass sich der Geist der Halbgöttin Phranang in dieser Höhle aufhält. Fischer, bevor sie zum Fang auszogen, baten sie um ihre Gunst. Als Dank wurden Blumen, Räucherstäbchen und ja, auch „Linga“ dargebracht (siehe Foto).

Phranang, Princess Cave

Phranang, Princess Cave

Tipp 6: Wer dem Klettern nicht viel abgewinnen kann, hat die Möglichkeit, sich ein Kanu oder ein Kajak zu mieten. Man kann die Kalkfelsen besichtigen und die Umgebung auf eigene Faust erkunden. Zudem gibt es für Fotografen tolle Möglichkeiten für Fotos aus einer interessanten Perspektive! Das Titelbild enstand genau dort …

Mir war ebenfalls eine bereichernde Erfahrung beschieden. Als wir kurz nach 6 auf Railay ankamen, lag bereits jemand ganz alleine am Strand. Schon etwas in die Jahre gekommen, Halbglatze, weißer Bart, Thermoskanne neben auf dem Liegetuch. Kurz dachte ich, Billy Gibbons von ZZ Top wäre auf Urlaub. Wie sich heraus stellen sollte, war er es doch nicht und so schenkte ich ihm keine weitere Beachtung mehr. Wir konzentrieren uns also voll aufs Klettern und plagen uns die Wand hoch. Eine Passage macht mir besondere Schwierigkeiten, sodass ich mich derart auspowere, dass es kein Weiter mehr gibt. Also klettere ich wieder runter und übernehme das Sichern für meinen Partner. Nachdem auch er an derselben Stelle scheitert, wissen wir instinktiv, dass heute Mittag ein Bier her muss. Oder Zwei. Wir legen unsere Gurte ab, verstauen unsere Seile, als plötzlich der Typ mit dem Bart vom Liegetuch aufspringt, auf mich zukommt, seine Kletterschuhe anzieht und um etwas Kreide bittet. Verdutzt reiche ich ihm meinen Köcher und er zerreibt ein Stückchen Kreide zwischen seinen Händen. Ohne Seil klettert er die Wand hoch, in einem Tempo, das Peter Parker alias Spiderman alt aussehen hätte lassen. Und das alles, ohne auch nur einmal angestrengt zu wirken. Nachdem er wieder unten ist, frage ich ihn nach seinem Alter und seinem Geheimnis. In gebrochenem Englisch antwortet er: „60 years. No drugs, no alcohol!“ Schon war die Freude auf das Bier zu Mittag dahin. Die Lektion, die mir erteilt wurde, war, nicht vorschnell über jemanden zu urteilen, den ich nicht kenne. Wenn ich mit zwanzig so in Form gewesen wäre, wie er mit 60…

Bouldern in Thailand, Railay

Bouldern in Thailand, Railay

Ihr wollt weitere Empfehlungen zum Thema „Klettern in Thailand“? Dann lege ich euch diesen Artikel auf bergzeit.de ans Herz. Ihr findet darin sehr ausführliche Beschreibungen zu Anreise, Zustiegsmöglichkeiten und Kletterrouten an den Stränden Tonsai und Railay Beach.

Tipp 7: Tauchen ist eine tolle Sache in Thailand. Ich ging nur auf ein paar Tauchgänge, da mir zum Tauchschein nur noch die Open Water Tauchgänge fehlten. Eine unglaubliche Artenvielfalt an Meeresbewohnern, Korallen und Pflanzen. Wer seinen Urlaub aktiv gestalten will,  kommt hier voll auf seine Kosten. Wenn ich wieder in Thailand bin, werde ich mich auch nach angesagten Diving Spots umsehen, und mehr dazu schreiben.

Was wäre ein Aufenthalt in einem Land, ohne mit seinen Bewohnern zu sprechen. Die Thais sind sehr freundlich und prinzipiell auch eine offene Kultur. Wie man in den Wald hineinruft… Es ist relativ einfach, in ein Gespräch zu kommen, zumindest ein paar Brocken Englisch sprechen die meisten Thais in touristischen Regionen. Als ich am gefühlt heißesten Nachmittag meines Thailand-Aufenthalts am Strand spaziere, beobachte ich die Boatmen, wie sie ihre Pause nutzen, um ein wenig zu kicken. Die Gelegenheit für mich, ein paar Fotos zu machen. Lächelnd und mit einer offenen Geste auf meine Kamera deutend, frage ich ob es in Ordnung ist, wenn ich ein paar Fotos mache. Sie unterbrechen kurz ihr Spiel, starren mich mit leicht verwundertem Blick an und ich überlege, ob ich eventuell etwas Falsches gesagt habe. Einer der Boatmen kommt auf mich zu und sagt: „Ok…! But you play with us”. Und kickt den Ball über 15 Meter exakt zu mir. Wer mich kennt, weiß genau, dass ich für ein Foto so einiges auf mich nehme. Auch wenn es sich dabei um Fußball handelt. Ich glaube, dass die Gruppe auch recht schnell gemerkt hat, dass ich nicht zu oft angespielt werden sollte, um zu häufigen Kontakt zwischen Boden und Ball zu vermeiden. Thailand-Österreich 1-0. Aber der Spaß stand die ganze Zeit über im Vordergrund – und das ist eine sehr erfrischende Erfahrung. Gerade wenn hierzulande Effizienz, Schnelligkeit und Leistung im Vordergrund stehen. Das ist auch etwas, das ich mitgenommen habe: Die Menschen arbeiten hier in Thailand sehr entschleunigt, was jedoch keinesfalls heißen soll, dass sie weniger arbeiten. Es ist einfach nur gefühlt mehr Zeit da – was nicht allein meinem Auslandsaufenthalt geschuldet war. Die Lebensweise unterscheidet sich so massiv von der unseren, vielleicht nicht immer in den großen Dingen, aber doch spürbar. Hier gibt es keinen 9-5 Job, kein danach ins Studio hetzen und dann seinen Hobbys nachgehen (wer hierzu andere Erfahrungen gemacht hat, bitte schreibt mir eure Erfahrungen, vielen Dank). Die Menschen (und nicht nur die Mönche) leben einfach mehr den Moment, sind nicht so abgelenkt, wie jemand, der das Leben samt all seiner Hektik aus einer Großstadt kennt.

Thailand, Boatmen

Thailand, Boatmen

Tipp 8: Tonsai und Railay sind tendenziell für Kletterer gedacht, was einen gemütlichen Aufenthalt jedoch nicht ausschließt. Es ist nur so, dass es für einen reinen Strandaufenthalt geeignetere Strände in Thailand gibt. Die Insel Koh Samui wurde mir von Freunden bereits empfohlen. Sobald ich mich selbst davon überzeugt habe, werde ich natürlich etwas dazu veröffentlicht werden. Es kann aber sein, dass es sich dabei um 2019 handelt.

Der letzte Tag in Tonsai bricht an, von meinen Bekannten habe ich mich bereits die vergangene Nacht bei ein paar gemütlichen Flaschen Bier in der Beachbar verabschiedet. Meine Sachen habe ich großteils bereits in der Nacht gepackt, das Auschecken geht noch wesentlich schneller als das Einchecken also schlendere ich gemütlich vor zu den Booten, von denen eines michwieder nach Ao Nang bringen wird. Ich warte. Lange. Sehr lange. Der Boatman wartet ebenfalls. Auf mehr Kundschaft. Nur hat er mit Warten kein Problem. Wenn es jedoch etwas gibt, das ich hasse, dann ist es warten. Vor allem, wenn ich einen Flug oder einen Zug erwischen muss. Ich zücke meine Brieftasche und biete ihm 500 Baht, er schüttelt den Kopf. Übrigens: Ein Boot bietet Platz für bis zu acht Personen inklusive Gepäck bei einem Ticketpreis von 100 Baht. Macht zusammen …, aber das könnt ihr euch selbst ausrechnen. Ich deute ihm, dass sonst keine Gäste warten würden und er weiß, dass in der nächsten Zeit auch keine kommen würden, also willigt er letzlich ein.

Der Rückflug nach Österreich gestaltet sich absolut ereignislos. Nun ja, fast. Der Passagier neben mir hatte Sushi zum Abendessen. Warum ich das weiß? Weil er beim Schlafen die Gewohnheit hatte, den Kopf zu mir zu drehen. Halb so schlimm? Gerade haben wir von Bangkok abgehoben. Mehr als elf Stunden Flugzeit verbleiben. Schlafen? Das Thema kommt mir bekannt vor, klappt nicht. Der bei jeder dritten oder vierten Reihe angebrachte Bildschirm, der mir regelmäßig auf der Weltkarte anzeigt, wo sich unser Flugzeug gerade befindet, macht die Sache auch nicht leichter. Schließlich hätte ich ja so einen Grund, mich wieder auf heimischen Boden zu freuen. Nun fällt mir auch endlich auf, dass ich daran hätte denken können, Jeans und Weste in meinem Handgepäck zu verstauen. Bei minus 4 Grad fällt Mann mit Shorts und Flip Flops am Flughafen Wien Schwechat doch irgendwie auf…